Ein Pflegefall tritt meist plötzlich ein. Bei den Angehörigen stellen sich dann schnell zahlreiche Fragen – Fragen, auf die man meist nicht sofort eine Antwort hat. Vor allem muss geklärt werden, wie und wo die zu pflegende Person betreut werden soll. Insbesondere wenn der Pflegebedürftige zu Hause, in seiner gewohnten Umgebung bleiben möchte, kann das berufstätige Familienmitglieder vor große Herausforderungen stellen.
Seit Januar 2015 bietet das Pflegezeitgesetz (kurz: PflegeZG) den Betroffenen einen Lösungsweg an. Das Gesetz soll die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege des Familienmitglieds in der häuslichen Umgebung vereinfachen, wozu es die arbeitsrechtlichen Bedingungen geändert hat. Zusätzlich gibt es das Familienpflegezeitgesetz, dass das Pflegezeitgesetz ergänzt und eine weitere Möglichkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege bietet.
Zahlen des statistischen Bundesamtes besagen, dass im Jahr 2019 4,1 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig waren. Davon wurden 80% in ihrem vertrauten Heim gepflegt, oft ausschließlich von den Angehörigen. Genau diesen Menschen oder Jenen, die alles weitere regeln müssen, stehen nun verschiedene Freistellungsmöglichkeiten vom Beruf zur Verfügung: Die Pflegezeit und die Familienpflegezeit. Zudem gibt es die kurzzeitige Arbeitsverhinderung, bei der eine Auszeit von bis zu zehn Tagen möglich ist.
"Ziel des Gesetzes ist, Beschäftigten die Möglichkeit zu eröffnen, pflegebedürftige nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen und damit die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege zu verbessern."
Pflegezeitgesetz, §1 Ziel des Gesetzes.
Achtung: Der Artikel dient lediglich der Information und ersetzt keine rechtliche Beratung.
Autor: Prof. Dr. Martin Przewloka
Zuletzt bearbeitet am 2.02.2023 von: Bettina Morich (Redakteurin)
Grundsätzlich gibt es drei unterschiedliche Formen der Pflegezeit. Sie sind in gewissem Maße kombinierbar, müssen jedoch nahtlos aneinander angeschlossen werden und sind auf insgesamt 24 Monate begrenzt. Der größte Unterschied liegt in der Dauer und Art der Freistellung.
Bei Situationen, in denen ein Pflegefall unerwartet auftaucht, muss zügig reagiert werden. Alle Entscheidungen über die unverzügliche Versorgung des Pflegebedürftigen werden meist seitens der arbeitenden Familienangehörigen getroffen. Dies ist neben dem Berufsalltag mit großen Anstrengungen verbunden. Aus diesem Grund haben Beschäftigte das Recht, sich sofort bis zu zehn Tage freistellen zu lassen, um sich organisatorischen Aufgaben widmen zu können. Eine Ankündigungsfrist gibt es nicht, der Beschäftigte muss jedoch die Dauer und den Grund für die Verhinderung mitteilen. Die insgesamt zehn Tage können auch mit Unterbrechung, mehrmals genommen werden. Insgesamt sind es jedoch pro Pflegebedürftigen einmalig zehn Tage. Um den Lohnausfall auszugleichen, können Beschäftigte Pflegeunterstützungsgeld beantragen. Dafür muss man sich an die Pflegekasse oder die private Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen wenden.
Wenn man sich dafür entscheidet die Pflege selbst in den eigenen vier Wänden zu übernehmen, besteht die Möglichkeit eine Freistellung von bis zu sechs Monaten zu beantragen. Ob man sich vollständig oder in Form einer Stundenreduzierung beim Arbeitgeber freistellen lässt, bleibt jedem selbst überlassen. So kann die Pflege individuell organisiert werden. Es ist zudem möglich, sich die Pflege mit anderen Familienmitgliedern aufzuteilen oder einen ambulanten Pflegedienst für bestimmte Teilbereiche zu beauftragen. Beschäftigte von Unternehmen mit mindestens 16 Mitarbeitern haben einen gesetzlichen Anspruch auf Pflegezeit. Bei kleineren Unternehmen besteht kein Rechtsanspruch. Wenn der Arbeitgeber dennoch eine Auszeit gewährt, handelt es sich trotzdem rechtlich um Pflegezeit. Damit gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen, beispielsweise hinsichtlich Kündigungsschutzes oder Sozialversicherung. Um Pflegezeit in Anspruch nehmen zu können, muss die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen nachgewiesen werden. Hierzu benötigt man eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen. Diese Regelung gilt sowohl für gesetzlich Versicherte als auch für privat Versicherte. Wenn zu Beginn weniger als sechs Monate gewährt wurden, kann, mit Zustimmung des Arbeitgebers und aus wichtigem Grund, die Freistellung auf die Höchstdauer verlängert werden. Während der Pflegezeit besteht Anspruch auf ein zinsloses Darlehen.
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Wenn sechs Monate Pflegezeit nicht ausreichen, der kann Familienpflegezeit in Anspruch nehmen. Bei dieser Form können Beschäftigte ihre pflegebedürftigen Angehörigen im eigenen Heim pflegen, bei einer Höchstdauer von 24 Monaten. Dabei ist zu beachten, dass man nicht vollständig freigestellt wird, sondern mindestens 15 Wochenstunden weiterhin arbeitet. Das ist vor allem für Beschäftigte interessant, die einen Angehörigen pflegen, der nicht rund um die Uhr betreut werden muss. Die Mindestarbeitszeit ist vorgeschrieben, damit Beschäftigte ihre Arbeit nicht vollständig für die Pflege aufgeben müssen. Arbeitnehmer, die in Betrieben mit mehr als 25 Mitarbeitern beschäftigt sind, haben einen Anspruch auf Familienpflegezeit. Auch bei der Familienpflegezeit kann ein zinsloses Darlehen beansprucht werden. Die Pflegebedürftigkeit muss wie bei der Pflegezeit bescheinigt werden.
Generell endet die (Familien-)Pflegezeit nach Ablauf der vereinbarten Zeit. Wenn sich jedoch die Umstände geändert haben, endet die Pflegezeit vier Wochen nach Eintreten der veränderten Umstände. Dies ist der Fall, wenn die Pflegebedürftigkeit weg fällt, der Angehörige verstorben ist oder die häuslichen Umstände unzumutbar geworden sind. Der Arbeitgeber muss unverzüglich unterrichtet werden und nur mit Zustimmung des Arbeitgebers kann die Freistellung vorzeitig beendet werden.
Angehörige möchten ihre Familienmitglieder auch in der letzten Lebensphase begleiten. Hierfür gibt es Sonderregelungen. Bei der Sterbebegleitung kann man sich bis zu drei Monate ganz oder teilweise freistellen lassen und den Angehörigen auf seinem letzten Weg begleiten. Denn gerade in dieser Phase möchten viele in Ruhe und Würde Abschied nehmen, auch vor dem Tod Beistand leisten oder letzte gemeinsame Erinnerungen schaffen. Eine Pflege in häuslicher Umgebung ist in diesem Fall nicht mehr vorausgesetzt, somit sind auch Hospizaufenthalte möglich. Ein Anspruch besteht bei Unternehmen ab 15 Mitarbeitern. Die Erkrankung muss auch hier gegenüber dem Arbeitgeber durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden.
Anspruch (nach den genannten Regelungen) auf kurzzeitige Arbeitsverhinderung, Familien- und Pflegezeit haben Beschäftigte. Sie müssen als nahe Angehörige in Beziehung zu den pflegebedürftigen Personen stehen.
Dazu zählen:
Achtung: Das Familienpflegezeitgesetz und das Pflegezeitgesetz gilt nicht für Beamte, sie haben keinen rechtlichen Anspruch. Bundes-, Landes und Kommunalbeamte müssen eine mögliche Freistellung oder die Verringerung der Arbeitszeit mit ihren Dienstherren absprechen. Zinsfreie Darlehen können nicht beansprucht werden. Es ist möglich, mit dem Dienstherrn über einen Vorschuss auf zukünftige Bezüge zu reden.
1.Zuerst müssen Sie die Ankündigungsfristen für Pflegezeiten beachten. Diese richten sich nach Art und Länge der Freistellung. Bei Freistellungen nach dem PflegeZG (kurzzeitige Arbeitsverhinderung und Pflegezeit) ist eine Frist von zehn Arbeitstagen vorgesehen, genauso wie für die Begleitung Angehöriger in der letzten Lebensphase. Wenn die Familienpflegezeit in die Pflegezeit übergehen soll, muss dies spätestens acht Wochen im Voraus angekündigt werden. Bei Freistellungen nach dem Familienpflegezeitgesetz ist eine andere Frist vorgesehen. Wenn Sie sich für die Familienpflegezeit entscheiden, müssen sie dies acht Wochen im Voraus ankündigen. Übergänge von der Pflegezeit in die Familienpflegezeit haben eine Frist von drei Monaten vor Beginn.
2.Wenn sie sich für eine Form der Pflegezeit ganz nach ihren individuellen Bedürfnissen entschieden haben, ist es an der Zeit, die Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einzuholen. Damit weisen sie die Pflegebedürftigkeit Ihres Angehörigen nach. Auch Versicherte der privaten Pflegeversicherung müssen diesen Nachweis einholen.
3.Nachdem Sie die Bescheinigung bei Ihrer Pflegekasse eingeholt haben, ist es an der Zeit den Arbeitgeber zu informieren. Halten Sie die Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit zur Hand und unterrichten Sie Ihren Arbeitgeber über Form und Länge der gewünschten Freistellung. Bei der sechsmonatigen Pflegezeit haben Sie einen gesetzlichen Anspruch, das heißt Ihr Arbeitgeber muss nicht zustimmen. Wenn sie sich nur teilweise freistellen lassen wollen, müssen sie mit ihrem Arbeitgeber über die Verringerung der Arbeitszeit sprechen. Treffen sie eine schriftliche Vereinbarung. Wenn alles geklärt ist, sollte der Freistellung nichts mehr im Wege stehen.
Wenn man sich freistellen lässt, besteht ein Anspruch auf ein zinsloses Darlehen. Das gilt für Beschäftigte, die sich für eine Freistellung in Form der Pflegezeit, der Begleitung in der letzten Lebensphase oder der Familienpflegezeit entscheiden. Dadurch werden Lohneinbußen abgefedert und der Lebensunterhalt kann bestritten werden. Um das Darlehen zu erhalten, müssen sie es beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (kurz: BAFzA) beantragen. Das Darlehen, welches die Hälfte des durch die Arbeitsreduzierung fehlenden Nettogehalts beträgt, wird in monatlichen Raten ausgezahlt. Es ist möglich eine niedrigere Rate in Anspruch zu nehmen, sie muss jedoch bei mindestens 50 Euro liegen. Nach Ablauf der Pflegezeit wird das Darlehen in Raten zurückgezahlt. Sollte ein Härtefall vorliegen, kann die Rückzahlung auf Antrag verschoben werden.
Seit 2015 ist für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung das Pflegeunterstützungsgeld eingeplant, wobei Sie rund 90% des ausgefallenen Netto-Gehalts erhalten. Den Antrag stellen Sie bei der Pflegekasse Ihres pflegebedürftigen Familienmitglieds. Ein Pflegegrad muss hierfür nicht vorliegen, jedoch wird meist eine Bescheinigung vom Arzt verlangt.
Urlaubstage
Auch bei der Pflegezeit entstehen Urlaubstage. Arbeitgeber dürfen die Urlaubstage des Beschäftigten für jeden vollen Monat der Freistellung um ein Zwölftel kürzen.
Kündigungsschutz
Für Beschäftigte, die die Familien-, Pflegezeit oder kurzzeitige Arbeitsverhinderung beanspruchen, besteht ein besonderer Kündigungsschutz. Dieser gilt von der Ankündigung bis zur Beendigung der Freistellungen. Jedoch fängt der Kündigungsschutz frühestens zwölf Wochen vor dem angekündigten Beginn der Pflegezeit an, das heißt, wenn Sie die Pflegezeit mehr als zwölf Wochen im Voraus ankündigen, besteht zu diesem Zeitpunkt noch kein spezieller Kündigungsschutz. Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen eine Kündigung von der zuständigen obersten Landesbehörde für Arbeitsschutz - oder einer von ihr bestimmten Stelle - zulässig ist.
Soziale Absicherung
Die Einzelheiten der sozialen Absicherung klären Sie am besten mit einem Pflegeberater Ihrer zuständigen Pflegekasse oder der privaten Pflegeversicherung. Bei der sozialen Absicherung handelt es sich um die Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
Die Rentenversicherungsbeiträge werden von der Pflegekasse übernommen, wenn Sie persönlich Ihren Angehörigen mindestens 14 Stunden in der Woche pflegen.
Die Arbeitslosenversicherung wird ebenfalls von der Pflegekasse übernommen. Damit bleibt der Versicherungsschutz erhalten.
Bei der Kranken- und Pflegeversicherung sind Sie über die Familienversicherung weiterhin versichert. Sollte Ihnen diese Möglichkeit nicht zustehen, müssen Sie sich freiwillig krankenversichern. Die Pflegeversicherung wird dabei automatisch mit abgeschlossen. Auf Antrag übernimmt die Pflegekasse die Beiträge.
Unter Pflegezeit versteht man eine vollständige oder teilweise Freistellung vom Beruf. In der frei gewordenen Zeit ist man dann verpflichtet den nahen pflegebedürftigen Angehörigen zu pflegen.
Generell unterscheidet man zwischen drei Möglichkeiten, die sich vor allem in ihrer zeitlichen Länge unterscheiden. Konkret handelt es sich um die kurzzeitige Arbeitsverhinderung, die Pflegezeit, die Familienpflegezeit und als Sonderform die Begleitung in der letzten Lebensphase.
Um Pflegezeit zu beantragen, müssen Sie als erstes die Ankündigungsfristen beachten. Diese finden Sie unter dem Punkt Antragsvorgang. Danach ist es ratsam die benötigte Bescheinigung der Pflegekasse über die Pflegebedürftigkeit Ihres Angehörigen einzuholen. Privatversicherte wenden sich an die private Pflegeversicherung. Als letzten Schritt informieren Sie Ihren Arbeitgeber und besprechen die Einzelheiten der Freistellung mit ihm.
Um finanzielle Einbußen zu dämpfen, ist es möglich, ein zinsloses Darlehen in Anspruch zu nehmen. Dieses gilt für Freistellungen in Form der Pflegezeit, der Familienpflegezeit und der Begleitung in er letzten Lebensphase. Das Darlehen wird beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt. Für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung kann Pflegeunterstützungsgeld bei der Pflegekasse beantragt werden.
Die Rentenversicherungs- und Arbeitslosenversicherung wird von der Pflegekasse übernommen. Bei der Rentenversicherung besteht die Auflage, dass Sie Ihren Angehörigen mindestens 14 Stunden die Woche pflegen müssen. Die Kranken- und Pflegeversicherung ist über die Familienversicherung geregelt, über die Sie mitversichert sind. Wenn das nicht möglich ist, müssen Sie sich freiwillig versichern.
Prof. Dr. Martin Przewloka hat im eigenen familiären Umfeld umfangreiche Erfahrungen mit dem Thema Pflege gesammelt und teilt sein Wissen über verschiedene Kanäle mit anderen pflegenden Angehörigen. Durch seinen Universitätsabschluss in Medizinischer Physik (Universität Kaiserslautern) versteht er zudem die gesundheitlichen Hintergründe der unterschiedlichen Erkrankungen und kann sich in die Lage der Pflegebedürftigen hineinversetzen.