Der erste der fünf Pflegegrade bezieht sich auf Menschen, die in ihrer Selbstständigkeit nur leicht eingeschränkt sind. Meistens haben diese pflegebedürftigen Personen eine körperliche Beeinträchtigung. Aber auch bei Demenz, Krebs oder psychischen Erkrankungen kann die Einstufung in einen Pflegegrad erfolgen, vorausgesetzt der Betroffene ist in seinem Alltag stark genug eingeschränkt. Häufig reichen diese Ursachen jedoch schon aus, um in einen höheren Grad eingeordnet zu werden.
Entwickelt wurde der Pflegegrad 1 Ende 2016, als aus den bisherigen drei Pflegestufen, fünf Pflegegrade hervorgingen. Diese Umstellung ermöglicht es, bereits früher Pflegeleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Leistungen sind hauptsächlich darauf ausgerichtet, die Versorgungssituation konstant zu halten und frühzeitig gegen mögliche Verschlechterungen vorzubeugen. Dabei hat der erste Pflegegrad eine Sonderstellung, da weder ein Anspruch auf Pflegegeld noch auf Pflegesachleistungen besteht. Diese sind in der frühen Phase der Pflegebedürftigkeit auch normalerweise nicht notwendig. Dafür stehen einige andere Angebote zur Verfügung:
Eine detailliertere Beschreibung der einzelnen Leistungen und auch mögliche Kriterien finden Sie im weiteren Verlauf dieses Artikels.
Achtung: Der Artikel dient lediglich der Information und ersetzt keine rechtliche Beratung.
Autor: Prof. Dr. Martin Przewloka
Zuletzt bearbeitet am 21.03.2023 von: Bettina Morich (Redakteurin)
Damit eine Person in den ersten Pflegegrad eingestuft werden kann, muss eine allgemeine Pflegebedürftigkeit festgestellt werden. Dazu ist ein Antrag bei der eigenen Krankenkasse einzureichen. Eine Vorlage finden Sie oft direkt auf der Website Ihrer Krankenkasse. Das Antragsformular kann per Post, am Telefon und teilweise auch direkt online ausgefüllt werden. Von diesen drei Möglichkeiten ist die telefonische Variante am wenigsten zu empfehlen, da es im Nachhinein keinen Nachweis über den Eingang des Antrags auf Pflegeleistungen gibt.
An dieser Stelle ist es noch nicht notwendig, anzugeben, welcher Pflegegrad erteilt werden soll. Um dies festzustellen, schickt der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) einen Gutachter, der die Selbstständigkeit der zu pflegenden Person vor Ort untersuchen soll. Hilfreich ist es, wenn bei der Begutachtung auch eine Vertrauensperson des Pflegebedürftigen anwesend ist.
Wurde durch den Gutachter festgestellt, dass die Einstufung in einen Pflegegrad möglich ist, wird sich anschließend die Pflegekasse mit dem Antragssteller in Verbindung setzen. Im Normalfall sollte man 25 Arbeitstage nach Eingang des Antrags einen Bescheid erhalten.
Bei den Gutachtern handelt es sich um gut ausgebildete Spezialisten, beispielsweise Pflegefachkräfte oder Ärzte. Der Hausbesuch ist wichtig, damit sich der Gutachter ein persönliches Bild von der Selbstständigkeit, aber auch der Wohnsituation der pflegebedürftigen Person machen kann. Ebenfalls berücksichtigt wird, inwiefern Pflegehilfsmittel vor Ort sind und ob mit diesen richtig umgegangen wird. Existieren aktuelle Arzt- und Krankenhausberichte, halten Sie diese bereit. Durchschnittlich sollten Sie für den Hausbesuch eine Stunde einplanen.
Sind Sie mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden, können Sie dagegen Widerspruch einzulegen. Dazu müssen Sie sich innerhalb von einem Monat nach Erhalt des Pflegebescheides mit der Pflegekasse in Verbindung setzen. Besonders empfehlenswert ist ein Widerspruch, wenn nur wenige Punkte bis zum nächsthöheren Pflegegrad fehlen.
Für den Termin mit dem Gutachter ist es oft hilfreich, wenn zuvor mindestens eine Woche lang ein Pflegetagebuch geführt wurde. Dies ist jedoch keine Pflicht. Allerdings kann das Pflegetagebuch dem Gutachter helfen, die Lage genauer einzuschätzen. Andernfalls kann es passieren, dass er durch den Besuch nur eine Momentaufnahme vermittelt bekommt, die nicht die alltägliche Lebenssituation der betroffenen Person repräsentiert. In diesem Tagebuch sollen zu den verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens, z.B. Kommunikationsfähigkeit, Mobilität oder Selbstversorgung, erfasst werden. Darüber hinaus wird vermerkt wie eigenständig diese Tätigkeiten noch ausgeführt werden können. Wichtig ist, dass das Pflegetagebuch nur mit Einverständnis der zu pflegenden Person durchgeführt wird.
Für den Aufbau des Protokolls bzw. Tagebuchs gibt es grundsätzlich keine speziellen, formalen Anforderungen. Am einfachsten ist es jedoch, das Tagebuch nicht selbst zu erstellen, sondern sich an eine bestimmte Vorlage zu halten. Dafür bieten verschiedenste Anbieter und auch die meisten Krankenkassen , Downloads auf ihren Websites an .Achten Sie darauf, dass die jeweilige Vorlage für die neuen Pflegegrade und nicht für die alten Pflegestufen gedacht ist, da sich im Aufbau seit der Reform Ende 2016 einiges verändert hat.
Eine wichtige Bedingung für den ersten Pflegegrad ist, dass noch viele Dinge möglichst eingeständig erledigt werden können. Es sind nur geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit vorhanden. Der Aufwand für den Pflegenden ist demnach vergleichsweise klein. Es wird lediglich Unterstützung im Alltag benötigt. Mit Hilfe der sechs folgenden Kriterien (offiziell als Module bezeichnet) wird der Gutachter den Grad der Selbstständigkeit feststellen:
Werden 12,5 bis 27 Punkte erreicht, ist die Voraussetzung für Pflegegrad 1 gegeben. Hierbei ist es nicht wichtig, bei jedem der sechs Kriterien Punkte zu sammeln. So reicht es beispielsweise aus, wenn in einem Modul alle 12,5 und in allen anderen keine Punkte gesammelt wurden, um den ersten Pflegegrad zu erhalten. Insgesamt können bei der Prüfung des MDK übergreifend bis zu 100 Punkte erlangt werden. Je höher die Punktzahl, desto höher auch die Einstufung in einen Pflegegrad.
Wollen Sie mehr Details über die einzelnen Module erfahren? Diese finden Sie auf der folgenden Seite: Pflegegrad und Pflegestufe – Alle Leistungen von Pflegegrad 1 bis 5.
Bei den Leistungen hat Pflegegrad 1 eine besondere Stellung, denn anders als bei den restlichen vier Pflegegraden, gibt es weder Pflegegeld- noch Pflegesachleistungen. Aufgrund der vergleichsweisen hohen Selbstständigkeit sind diese Leistungen im Normalfall auch nicht notwendig. Den Pflegebedürftigen stehen dafür eine Reihe anderer Angebote zur Verfügung. Welche das sind, können Sie im Folgenden detailliert nachlesen:
Beim Entlastungsbeitrag handelt es sich um eine Geldleistung in Höhe von 125 Euro pro Monat, die – wie der Name schon sagt – zur Entlastung der Pflegepersonen dient. Das Ziel ist es, mit Hilfe von verschiedensten Betreuungsangeboten den Alltag der zu pflegenden Person angenehmer zu gestalten und die Selbständigkeit dabei zu fördern. Wichtig ist, dass der Anspruch auf den Entlastungsbeitrag nur bei häuslicher Pflege besteht. Bei Pflegegrad 1 können Sie den Entlastungsbetrag für eine Unterstützung im Haushalt nutzen, für eine (Demenz-)Betreuung oder auch für die Grundpflege. Achten Sie drauf, dass der Dienstleister mit er Kasse abrechnen darf. Die Kasse wird nicht ohne Weiteres eine private Putzkraft bezahlen, einen anerkannten Dienst mit Pflegekassenzulassung können Sie jedoch ohne Weiteres beauftragen.
Des Weiteren wird diese Leistung, anders als beim Pflegegeld, nicht an den Pflegebedürftigen ausgezahlt. Sie müssen in Vorkasse gehen und bekommen anschließend von der Pflegekasse bis zu 125€ zurückerstattet. Schöpfen Sie in einem Monat nicht das vollständige Budget aus, kann dieses bis zu einer bestimmten Frist angespart und zu einem späteren Zeitpunkt verwendet werden. Einige Dienste können die Betreuungs- und Entlastungsleistungen auch direkt mit dem Anbieter abrechnen. Lassen Sie sich am besten von Ihrem Anbieter beraten.
Sind Sie auf der Suche nach einer stundenweisen Betreuung? Dann kontaktieren Sie gerne unsere kostenlose Hotline unter 0800 122 273 0. Wir helfen Ihnen einen passenden Anbieter in Ihrer Nähe zu finden.
Bei jedem Pflegegrad stehen der zu pflegenden Person monatlich 40€ (Aufgrund der Corona-Pandemie bis Ende 2021 60€) für Pflegehilfsmittel zum Verbrauch zur Verfügung. Um diese Pflegehilfsmittel möglichst komfortabel zu erhalten, gibt es Hilfsmittelboxen, die fertig zusammengestellt sind. Bei Bedarf können Sie sich ihre Box auch individuell zusammenstellen. In diesen Boxen befinden sich z.B. Desinfektionsmittel, Einmalhandschuhe und andere Hilfsmittel, die nach Benutzung nicht erneut verwendet werden können. Zusätzlich besteht bei Bedarf auch ein Anspruch auf technische Pflegehilfsmittel, wie beispielsweise ein Hausnotrufgerät. Technische Hilfsmittel sind meist nur ausgeliehen und müssen wieder zurückgegeben werden.
Den Wohngruppenzuschlag könnenSie bei der Pflegekasse beantragen, wenn mindestens drei pflegebedürftige Personen in einer Wohnung zusammenleben. Dieser beträgt monatlich 214€ pro Person. Der Betrag dient dem Zweck, gemeinsam einen Betreuungsdienst oder eine Privatperson zu engagieren, die unabhängig von Pflegeleistungen unterstützend tätig werden. Mögliche Aufgaben sind hierbei betreuende oder verwaltende Tätigkeiten.
Kann mit Hilfe von Umbaumaßnahmen in der Wohnung des zu Pflegenden dafür gesorgt werden, dass weiterhin ein selbständiges Leben möglich ist, bzw. die verlorengegangene Selbstständigkeit wiederhergestellt werden, gibt es die Möglichkeit, dafür einen Zuschuss von bis zu 4.000€ von der Pflegekasse zu erhalten. Sinnvolle Anpassungen können der barrierefreier Badumbau, ein Treppenlift oder das Entfernen von unnötigen Gefahrenquellen und Hindernissen, wie Türschwellen, sein. Hierbei müssen Sie, den Zuschuss bereits vor Beginn der Umbauarbeiten zu beantragen und die daraus folgenden Änderungen rechtzeitig mit dem Vermieter abklären.
Eine weitere Möglichkeit, einen Zuschuss für den barrierefreien Wohnungs- bzw. Hausumbau zu erhalten, bietet die KfW Bank unabhängig vom jeweiligen Pflegegrad. Für Einzelmaßnahmen werden durch diesen Zuschuss 10% der Kosten, aber maximal 5.000€ gedeckt. Bei einem altersgerechten Umbau der gesamten Wohnung oder Hauses sind es 12,5% der Kosten und höchstens 6.250€. Beantragen können Sie diesen Zuschuss direkt bei der KfW Bank. Wichtig ist, dass Sie diese Unterstützung nicht mit der Leistung der Pflegekasse verbinden können. Es geht entweder das eine oder das andere, aber nicht beides gleichzeitig für dieselbe Umbaumaßnahme.
Neben finanziellen Hilfen werden auch Beratungsdienstleistungen angeboten. Zum einen können Sie Fragen direkt per Telefon bei der Pflegekasse zu stellen. Zum anderen sind auch Beratungsbesuche in der eigenen Wohnung möglich. Anspruch auf häusliche Beratungen durch einen ambulanten Pflegedienst besteht bis zu zweimal im Jahr. Durch diese Termine wird pflegenden Angehörigen die Möglichkeit geboten, offen Fragen direkt vor Ort und mit Fachpersonal zu klären.
Hat sich der Zustand der pflegebedürftigen Person verschlechtert, können Sie bei der Krankenkasse bzw. Pflegekasse alle sechs Monate einen Antrag auf Höherstufung zu stellen. Eine Vorlage finden Sie auf der Website der jeweiligen Krankenkasse. Diesen reichen Sie per Mail oder mit der Post ein. Kommt es beim Betroffenen jedoch plötzlich zu einer sehr starken Verschlechterung, ist eine Antragsstellung auch unabhängig der sechsmonatigen Frist möglich.
Hat sich der Zustand eines pflegebedürftigen Menschen wieder verbessert, kann die Pflegekasse auch eine Rückstufung des Pflegegrades umsetzen. Speziell beim ersten Pflegegrad würde eine Rückstufung mit einem Verlust dessen einhergehen. Ähnlich wie beim Gutachten, kann gegen diese Entscheidung Widerspruch eingelegt werden.
Bei den Pflegestufen handelt es sich um die alte Bezeichnung, die Ende 2016 durch die neuen Pflegegrade ersetzt wurde. Dabei kam es zu einigen Änderungen hinsichtlich der Beantragung und Leistung. So ist es mittlerweile früher möglich einen Pflegegrad zu erhalten. Des Weiteren wird der Fokus nun verstärkt auf die Selbstständigkeit gelegt, wodurch die Gleichberechtigung von pflegebedürftigen Menschen mit körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen verbessert wurde.
Die Leistungen sind breit gefächert und umfassen den Entlastungsbeitrag, Wohngruppenzuschlag, Zuschüsse zum Wohnungsumbau und für Pflegehilfsmittel. Des Weiteren stehen regelmäßige Beratungen durch die Krankenkasse oder auch professionelles Pflegepersonal zur Verfügung. Pflegegeld und Pflegesachleistungen erhält man beim ersten Pflegegrad hingegen nicht.
Ein Pflegetagebuch bzw. Pflegeprotokoll dient dazu, die Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person für mindestens eine Woche zu dokumentieren. Dies kann helfen, dem Gutachter ein besseres Bild des Betroffenen zu vermitteln. Dabei sollten dieselben Kriterien berücksichtigt werden, die auch für das Gutachten relevant sind. Diese sind z.B. Mobilität, Selbstversorgung oder Kommunikationsfähigkeiten.
Beim Entlastungsbeitrag ist der Pflegebedürftige verpflichtet die jeweilige Dienstleistung zunächst eigenständig zu finanzieren. Anschließend können von der Pflegekasse bis zu 125€ zurückerstattet werden.
Ist man mit dem Ergebnis der häuslichen Begutachtung nicht einverstanden, kann es sich lohnen bei der Krankenkasse Widerspruch einzulegen. In Situationen, in denen beim Gutachten nur noch wenige Punkte fehlen, um in einen höheren Pflegegrad eingestuft werden zu können, kann ein Widerspruch ebenfalls sinnvoll sein.
Stellt man fest, dass die Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person abnimmt bzw. dass sich der Pflegeaufwand deutlich erhöht hat, ist es empfehlenswert, bei der Krankenkasse eine Höherstufung zu beantragen. Dazu kommt erneut ein Gutachter zu einem Hausbesuch vorbei. Werden dabei genügend Punkte erreicht, steht einer Höherstufung nichts mehr im Weg. Einen Antrag auf Höherstufung kann man alle 6 Monate oder bei triftigem Grund auch jederzeit stellen.
Kann die Pflegekasse nachweisen, dass kein Pflegegrad mehr notwendig ist oder dass sich die Selbstständigkeit der zu pflegenden Person wieder verbessert hat, ist eine Rückstufung möglich. Auch gegen diese Entscheidung kann bei Bedarf Widerspruch eingereicht werden.
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - Leistungen bei Pflegegrad 1, (abgerufen am 26.04.2021)
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit, (abgerufen am 26.04.2021)
Barmer, (abgerufen am 26.04.2021)
Bundesministerium für Gesundheit, (abgerufen am 26.04.2021)
Krankenkassenzentrale, (abgerufen am 26.04.2021)
Medizinischer Dienst der Krankenkassen - Die Selbstständigkeit als Maß der Pflegebedürftigkeit, (abgerufen am 26.04.2021)
Medizinischer Dienst der Krankenkassen - Die Selbstständigkeit als Maß der Pflegebedürftigkeit - FAQ, (abgerufen am 26.04.2021)
AOK, (abgerufen am 26.04.2021)
Prof. Dr. Martin Przewloka hat im eigenen familiären Umfeld umfangreiche Erfahrungen mit dem Thema Pflege gesammelt und teilt sein Wissen über verschiedene Kanäle mit anderen pflegenden Angehörigen. Durch seinen Universitätsabschluss in Medizinischer Physik (Universität Kaiserslautern) versteht er zudem die gesundheitlichen Hintergründe der unterschiedlichen Erkrankungen und kann sich in die Lage der Pflegebedürftigen hineinversetzen.