Ist man pflegebedürftig und möchte Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen, ist eine Einstufung in einen Pflegegrad (ehemals Pflegestufe) unerlässlich. Dazu ist eine Begutachtung notwendig. Um die Pflegesituation richtig einschätzen zu können, findet diese im häuslichen Umfeld statt. Wie Sie dabei im Einzelnen vorgehen sollten, erfahren Sie in diesem Artikel. Folgende Schritte führen Sie ans Ziel – hier im Überblick:
Achtung: Der Artikel dient lediglich der Information und ersetzt keine rechtliche Beratung.
Autor: Prof. Dr. Martin Przewloka
Zuletzt bearbeitet am 26.01.2023 von: Bettina Morich (Redakteurin)
Um Leistungen aus der Pflegekasse zu bekommen, ist es zuerst notwendig, einen Antrag zu stellen. Dieser nennt sich Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit und muss bei der Pflegekasse – diese sitzt bei der Krankenkasse – gestellt werden. Sie können den Antrag entweder mündlich oder schriftlich stellen. Kümmern Sie sich rechtzeitig. Sie bekommen frühestens ab Anfang des Monats, in dem der Antrag gestellt wurde, Leistungen.
Tipp: Im Normalfall sind die Kassen bei jeder Art der Antragstellung zuverlässig. Da Sie aber ab dem Antragsmonat Leistungen bekommen, empfehlen wir Ihnen, den Antrag schriftlich zu stellen, sodass im Zweifel nachgewiesen werden kann, ab wann Ihnen Leistungen zustehen.
Die Pflegekasse schickt Ihnen nun ein Formular mit einigen Fragen zu, etwa, ob die pflegebedürftige Person zuhause oder im Heim gepflegt wird. Dieses Formular ist nun von Ihnen auszufüllen und an die Pflegekasse zurückzusenden.
Nun wird von der Pflegekasse ein Gutachter beauftragt, der die Pflegebedürftigkeit einschätzen soll. Bei den gesetzlichen Krankenkassen übernimmt das der Medizinische Dienst der Krankenkassen, kurz MD, bei Privatversicherten die Firma Medicproof. Sobald Ihr Antrag bei der Pflegekasse eingegangen ist, wird Ihnen kurzfristig ein Termin zur Begutachtung mitgeteilt.
Die Begutachtung findet bei der betroffenen Person zuhause statt und erfolgt durch eine ausgebildete Pflegefachkraft oder einen Arzt. Das Ergebnis muss spätestens 25 Arbeitstage, nachdem der Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit bei der Pflegekasse eingegangen ist, vorliegen.
Es ist wichtig, dass die Begutachtung des MD in der gewohnten Umgebung stattfindet, da nur so geprüft werden kann, wieviel Unterstützung tatsächlich benötigt wird. Eine fremde, gar unbekannte Umgebung würde das Ergebnis unter Umständen sehr verfälschen.
Liegt die betroffene Person zur Zeit der Antragsstellung im Krankenhaus, kann vorläufig ein Pflegegrad festgestellt werden. Die endgültige Einstufung erfolgt mehrere Wochen nach der Entlassung im eigenen Zuhause.
Die Begutachtung dient dazu, herauszufinden, wie hoch der Pflegebedarf im Einzelfall ist. Es wird danach geschaut, in welchen Bereichen die Selbstständigkeit der betroffenen Person eingeschränkt ist. Der Gutachter vergibt für verschiedene Bereiche Punkte - je mehr die Selbstständigkeit in diesem Bereich eingeschränkt ist, desto höher die Punktzahl.
Auf Basis dieser Punktzahl leitet der Gutachter anschließend den Pflegegrad ab und gibt dann seine Empfehlung an die Pflegekasse weiter. Diese entscheidet letztendlich über die Einordnung in einen der fünf Pflegegrade und teilt Ihnen die Entscheidung schriftlich mit.
Dabei gibt es folgende Einstufungen:
Wir empfehlen Ihnen, nicht unvorbereitet in die Begutachtung zu gehen. Bereiten Sie sich vor, indem Sie überlegen, wer an der Begutachtung teilnimmt. Suchen Sie weiterhin alle Dokumente zusammen, die sie benötigen könnten.
Nicht zur Vorbereitung sollte gehören, aufzuräumen und zu putzen, wenn Sie dies sonst auch nicht machen können. Verstellen Sie sich nicht, sondern versuchen Sie, ein möglichst realistisches Bild Ihres normalen Alltags darzustellen.
Folgende Unterlagen sollten Sie bei der Begutachtung zur Hand haben:
Natürlich brauchen Sie nicht jedes dieser Dokumente zwingend, selbst, wenn Sie sie besitzen. Es kann jedoch hilfreich sein, diese parat zu haben, da diese ein Bild der Pflegebedürftigkeit vermitteln können.
1. Überlegen Sie, ob Sie eine weitere Person ins Gespräch mitnehmen: Die Aufgabe des MD ist die neutrale Beurteilung der Pflegesituation, es wird also nicht in seinem Sinne sein, Ihnen zu schaden. Dennoch muss der Gutachter, um die Situation richtig einschätzen zu können, einige Fragen stellen. Diese werden teilweise als unangenehm und peinlich empfunden. Deswegen ist es in einigen Fällen von Vorteil, wenn Sie nicht allein sind und eine vertraute Person Ihnen zur Seite stehen und evtl. ebenfalls Fragen beantworten kann. Andere Personen fühlen sich gerade dann unwohl, wenn Dritte dabei sind.
2. Nichts beschönigen: Wir sind es gewohnt, uns in möglichst gutem Licht zu präsentieren – vor allem vor fremden Personen geben wir ungern zu, dass wir etwas nicht mehr so gut können oder Probleme haben. Bei der Begutachtung sollten Sie versuchen, sich davon frei zu machen. Denn wenn Sie die Dinge besser darstellen, als sie eigentlich sind, kann dies dazu führen, dass der Bedarf zu gering eingeschätzt wird und Sie weniger Geld- und Sachleistungen erhalten. Vor allem die pflegebedürftigen Personen selbst stellen ihre Situation aus Scham oft besser dar als sie ist. Menschen mit Demenz haben zudem oft ein anderes Bild von sich als Außenstehende es haben und nehmen sich selbst teilweise als nicht-eingeschränkt wahr. In so einem Fall kann auch ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Gutachter und pflegendem Angehörigen die Lösung sein. So kann man die Situation realistisch beschreiben und der Demenzkranke fühlt sich nicht gekränkt oder bevormundet.
3. Glaubwürdig und ehrlich sein: Neben dem Beschönigen der Situation sollte man diese jedoch auch nicht absichtlich schlechter darstellen als sie ist. Da die Gutachter in der Regel über viel Erfahrung verfügen, werden diese das wahrscheinlich merken.
4. Gut vorbereiten: Um die Situation möglichst gut einschätzen zu können, sollten Sie sich zur Vorbereitung folgende Fragen zu stellen:
• Wie selbstständig ist die hilfsbedürftige Person bei der Bewältigung des Alltags?
• Welche Aktivitäten können noch selbstständig durchgeführt werden?
• Bei welchen Aktivitäten wird die Unterstützung von anderen Personen benötigt?
Zusätzlich zu Ihren gemachten Notizen sollten Sie Unterlagen von Ärzten, Kliniken und Pflegediensten bereithalten.
Haben Sie sich gut auf den Termin vorbereitet und genügend Zeit eingeplant, kann nichts mehr schief gehen. Machen Sie sich bewusst, dass der Gutachter Ihnen nichts Böses will und Sie und Ihre Angehörigen nicht für Ihre Situation verurteilen wird. Das Ergebnis der Begutachtung muss spätestens 25 Arbeitstage, nachdem der Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit bei der Pflegekasse eingegangen ist, vorliegen.
Die Pflegekasse hat über die Einordnung in einen Pflegegrad entschieden und teilt Ihnen nun schriftlich mit, ob Ihr Antrag bewilligt oder abgelehnt wurde. Wurde dieser bewilligt, werden die Leistungen in der Regel ab dem Monat, in dem der Antrag gestellt wurde, gewährt.
Wurde der Antrag abgelehnt oder sind Sie mit dem Ergebnis, also dem ermittelten Pflegegrad, unzufrieden, können Sie Widerspruch einlegen. Dieser muss formlos per Post oder Fax (in der Regel innerhalb eines Monats) bei der Pflegekasse eingereicht werden. Eine Begründung kann später nachgereicht werden. Ist der Widerspruch ausreichend begründet, wird ein Zweitgutachten erstellt. Dieses wird entweder nach Aktenlage erstellt oder mithilfe eines erneuten Besuches bei der pflegebedürftigen Person. Ist das neue Ergebnis für Sie immer noch nicht zufriedenstellend, steht Ihnen nun noch der Weg über eine Klage beim Sozialgericht offen.
Ein Pflegegrad wird in der Regel nicht mehr aberkannt. Wenn Sie sich aber dafür entscheiden, das Pflegegeld zu beziehen, ist es nicht mit einem einmaligen Besuchs des MD getan. Je nach Pflegegrad muss halb- bis vierteljährlich ein Beratungsgespräch eines ambulanten Pflegedienstes folgen. Sonst wird das Pflegegeld unter Umständen gekürzt oder die Zahlung eingestellt.
Ziel der Gespräche ist es, dass die pflegebedürftige Person die passende Hilfe erhält. Durch die Gespräche wird sicher gestellt, dass der Pflegegrad noch angemessen ist und nicht erhöht werden muss und auch, dass die Angehörigen nicht überlastet werden.
Der Pflegegrad bedeutet, dass die begutachtete Person objektiv nicht mehr vollkommen selbstständig ist und Hilfe benötigt. Wie schwer diese Beeinträchtigung subjektiv ist, wird natürlich nicht ermittelt.
Unser Service für Sie: Sie haben einen Pflegegrad erhalten und sind unsicher, wie es weitergehen soll? Wir beraten Sie kostenlos zu Ihren Möglichkeiten wie Pflegediensten und barrierefreien Wohnungsumbau und suchen Ihnen unverbindlich geeignete Dienstleister raus. Sie erreichen uns unter 0800 122 273 0
Wird nach der Begutachtung ein Pflegegrad festgestellt, können Sie sich entscheiden, ob Sie selbst pflegen möchten oder dies einem ambulanten Dienst überlassen. Hier hängt vieles von eigenen Präferenzen und Erfahrungen ab. Auch sollten die Erwartungen der Familienmitglieder untereinander geklärt werden. Möchten die Eltern überhaupt, dass sich die Kinder kümmern? Können und wollen die Kinder dies leisten? Welche Gründe sprechen dafür und welche dagegen?
Einige Menschen möchten beispielsweise keine Fremden im Haus haben oder haben umgekehrt das Gefühl, ihren Kindern zur Last zu fallen, obwohl diese sich gerne kümmern würden. Außerdem sollten die eigenen Bedürfnisse nicht vernachlässigt werden. Haben die Kinder Zeit, sich neben Familie und Job um die Eltern zu kümmern? Die Pflege kann sowohl erfüllend als auch anstrengend sein. Je nach sonstigen Verpflichtungen und Typ Mensch hat jeder eine andere Einstellung. Auch können sich Lebensumstände ändern. Geben Sie sich in jedem Fall Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen.
Bonustipp Rentenanspruch: Erkundigen Sie sich bei der Rentenkasse darüber, ob Sie durch die Pflege Rentenansprüche erwerben können. Dies ist besonders dann sinnvoll, wenn Sie sich dafür entscheiden, weniger zu arbeiten, um Ihren Angehörigen zu pflegen.
Zusätzlich zum Pflegegeld oder den Pflegesachleistungen stehen Ihnen auch 4000 Euro Budget zu, um die Wohnung barrierefrei zu gestalten. So können Sie beispielsweise Ihr Bad umbauen oder erhalten einen Zuschuss zum Treppenlift.
Auch bekommen Sie auf Wunsch kostenlose Hilfsmittel zum Verbrauch zugeschickt.
Bei einer Pflegebegutachtung kommt ein Gutachter (entweder eine ausgebildete Pflegekraft oder ein Arzt) zu Ihnen nachhause, um sich ein Bild von der Pflegesituation zu machen. In einem Gespräch stellt er Fragen zu den folgenden Themen:
• Mobilität
• Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
• Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
• Selbstversorgung
• Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
• Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte
Nach dem Hausbesuch wird ein Gutachten erstellt, welche eine Empfehlung dahingehend enthält, in welchen Pflegegrad die pflegebedürftige Person eingestuft werden sollte.
Lesen Sie unseren vollständigen Artikel, legen Sie wichtige Unterlagen bereit und führen Sie ein paar Tage lang ein Pflegetagebuch. Planen Sie dann noch genug Zeit ein und verstellen sich nicht, kann eigentlich nichts mehr schief gehen.
Das Ergebnis muss spätestens 25 Arbeitstage nachdem der Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit bei der Pflegekasse eingegangen ist vorliegen.
Es empfiehlt sich, für ein paar Tage ein Pflegetagebuch zu führen sowie ehrlich und aufrichtig im Gespräch mit dem Gutachter zu sein. Dann sollte nichts mehr schief gehen.
Prof. Dr. Martin Przewloka hat im eigenen familiären Umfeld umfangreiche Erfahrungen mit dem Thema Pflege gesammelt und teilt sein Wissen über verschiedene Kanäle mit anderen pflegenden Angehörigen. Durch seinen Universitätsabschluss in Medizinischer Physik (Universität Kaiserslautern) versteht er zudem die gesundheitlichen Hintergründe der unterschiedlichen Erkrankungen und kann sich in die Lage der Pflegebedürftigen hineinversetzen.